Homepage der Familie Dörscheln
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202 — Von der Unterze­ich­nung des Edik­ts von Nantes zu seinem Wider­ruf

Das Edikt von Nantes, das am 30. April 1598 unterze­ich­net wurde, geste­ht den Anhängern der “soge­nan­nten reformierten Reli­gion” Gewis­sens­frei­heit zu. Aber die freie Ausübung des Gottes­di­en­stes wurde nur an den Orten gewährt, an denen 1596 und 1597 regelmäs­sig Gottes­di­en­ste stattge­fun­den hat­ten. Das Edikt gewährt den Protes­tanten den Zugang zu sämtlichen öffentlichen Wür­den, Ämtern und Auf­gaben und garantiert ihnen die Gle­ich­stel­lung in Steuer­sachen.
Die Protes­tanten der Dauphiné erhal­ten für einen Zeitraum von 8 Jahren 12 Sicher­heit­splätze(1): Greno­ble, Die, Mon­te’I­imar, Livron, Gap usw.

Im 17. Jahrhun­dert bilden 72.000 Protes­tanten der Dauphiné (8% der franzö­sis­chen Protes­tanten) 76 Gemein­den, denen zwei Gemein­den des Fürsten­tums Orange, Orange und Cour­the­zon, zuzurech­nen sind. Diese Protes­tanten bilden die grosse Mehrheit der Bevölkerung im oberen Dromet­al und der Gegend von Bour­deaux, im Trièves, im Ouey­tas und dem Freissinières-Tal. In Mens und Die sind sog­ar 95% der Ein­wohn­er Hugenot­ten(2).

Jede Orts­ge­meinde besitzt eine Kirche und hat einen Pfar­rer, in manchen Fällen sog­ar mehrere: zwei in Greno­ble und Mon­téli­mar(03), drei in Die, vier in Orange. Die meis­ten dieser Orts­ge­mein­den haben Neben­stellen, wo es auch fast immer eine Kirche gibt und der Pfar­rer regelmäs­sig predigt.

An der Spitze ein­er jeden Orts­ge­meinde ste­ht ein “Kon­sis­to­ri­um”, ein Gemein­dekirchen­rat würde man heute sagen, der aus einem oder mehreren Pfar­rern beste­ht und ein­er wech­sel­nden Anzahl von Laien, 10 bis 20, die Kirchenäl­teste(4) genan­nt wer­den. Sie wer­den in einem Koop­ta­tionsver­fahren gewählt, kön­nen ihr Amt aber erst antreten, wenn sie zwei Son­ntage hin­tere­inan­der den Gläu­bi­gen vorgestellt wur­den, ohne dass diese Ein­spruch erhoben hät­ten.

Der Pfar­rer ist in erster Lin­ie The­ologe und Predi­ger(5). Er spendet Abendmahl(6) und Taufe(7). Bei Ver­samm­lun­gen des “Kon­sis­to­ri­ums” führt er den Vor­sitz und nimmt auch an den Prov­inzial­syn­oden teil. In Wirk­lichkeit wer­den die Orts­ge­mein­den aber von den Kirchenäl­testen geleit­et.

(…)

Als von Recht­san­walt Claude Brous­son eine Wider­stands­be­we­gung gegen die Zer­störung der Kirchen gegrün­det wird, antworten die Bürg­er der Dauphiné mit paz­i­fistis­chen Ver­samm­lun­gen und der Grün­dung eines “Feld­lagers des Ewigen” im Wald von Saou: 50 Tote sind das Ergeb­nis der Kämpfe bei Bour­deaux am 30. August.

Im Win­ter 1683/​84 begin­nen in der Drome die von den Drag­onern gewalt­sam durchge­führten Bekehrun­gen (drag­onnades): 9 Kirchen wer­den abgeschafft und 19 Kirchenge­bäude zer­stört. Der Ter­ror ist so gross, dass sich in Bou­vières sämtliche Gläu­bige bekehren. Das­selbe geschah im Sep­tem­ber danach in der Umge­bung von Die und von Crest. Die Akademie von Die wird 1684 geschlossen, die Kirche im Juli 1685 vol­lkom­men zer­stört.

Beim Erscheinen der Drag­oner im Sep­tem­ber 1685 in Gap treten sämtliche Gap­per Protes­tanten zum Katholizis­mus über. Die Aufhe­bung des Edik­ts von Nantes ste­ht vor der Tür.

Bis zum Ver­trag von Utrecht aus dem Jahre 1713 ist ein Teil der Täler des Piemont der Prov­inz der Dauphiné angegliedert. Es gibt dort 16 Kirchen und 11 000 Protes­tanten, Nachkom­men der
Waldenser.

Nach der Kon­sis­to­ri­umssitzung der Kirche von Mens unter­schrieben die 19 Anwe­senden (darunter der Pfar­rer Jacques Borel und der Sekretär Jean Des­ouliès) am Son­ntag, dem 29. März 1665 “nach der Mor­gen­predigt” das Pro­tokoll..

Anmerkun­gen

  1. Sicher­heit­splätze:
    Befes­tigte Orte, in denen das Edikt von Nantes den Protes­tanten das Recht gewährt, eine Gar­ni­son zu unter­hal­ten.
  2. Hugenot­ten:
    Wohl eine Deformierung des Wortes “Eidgenossen” (Ver­bün­dete). Zunächst ein abschätziger Begriff, der dann aber von den Protes­tanten selb­st benutzt wurde.
  3. Daniel Chami­er:
    Ein­er der Pfar­rer von Mon­téI­imar (1593 bis 1612), der 1593 in dem kirch­lichen und poli­tis­chen Leben des franzö­sis­chen Protes­tantismus eine grosse Rolle gespielt hat.
  4. Kon­sis­to­ri­urn:
    Das Kon­sis­to­ri­um tritt im all­ge­meinen ein­mal pro Monat zusam­men. Der Sekretär schreibt das Pro­tokoll ein­er jeden Sitzung, welch­es dann von den Anwe­senden unterze­ich­net wird.
  5. Pfar­rer auf der Kanzel
  6. Die Bibellek­türe und die Beteili­gung am Heili­gen Abendmahl sind zwei fun­da­men­tale Werte des religiösen Lebens der franzö­sis­chen Protes­tanten im 17. Jahrhun­dert. Diese tägliche Bibellek­türe, das Studi­um von Kom­mentaren der Heili­gen Schrift, das Anhören von Son­ntags- und Wochen­tagspredigten sind die geistige Nahrung der indi­vidu­ellen Fröm­migkeit des Hugenot­ten.
  7. Die Taufe ist eins der bei­den Sakra­mente, die die Ref­or­ma­tion beibehal­ten hat. Sie wird im all­ge­meinen während des Gottes­di­en­stes vol­l­zo­gen.
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