Homepage der Familie Dörscheln
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2001/​07 — Out de Kum­maude

Heimat­blät­ter aus West­falen — Band 1 — 2.Jahrgang 2001 — Heft Nr.7


Von E. W. Dörscheln — Mün­ster i/​W.

Der Humpel­mann

Das Aben­dessen, es gab Schwarzbrot mit Rübenkraut und dazu Ziegen­milch, war vor­bei und wir Kinder gin­gen nach draußen und spiel­ten ver­steck­en um das Haus und Schup­pen sowie im Garten der Großel­tern. Es wurde langsam dunkel und wir hat­ten vergessen, daß noch eine Stunde Heimweg vor uns lag.

Bald hieß es Abschied nehmen, um noch im Däm­mer­licht ein Stück des Weges vielle­icht bis zur Sperre zu gehen. Es dunkelte schnell und der Mond war am Hor­i­zont aufge­gan­gen als wir die Talsperre erre­icht­en, aber das Licht reichte nicht aus, um in die unheim­lich erscheinen­den Eck­en und Winkel am Wass­er zu kom­men. Die Sinne waren ges­pan­nt und die Augen sucht­en den morasti­gen und später auch hol­pri­gen Weg nach Hin­dernissen ab.

Die Tiere der Nacht hat­ten schon das Feld über­nom­men und erfüll­ten die abendliche Land­schaft mit selt­samen Laut­en. Frösche quak­ten, ein Wald­kautz rief und von ein­er Anhöhe des Ritan die eine Lich­tung freigab, war das Schreck­en des Rehbocks zu hören.

Glüh­würmer tanzten in der Luft und das Rascheln der kleinen Nag­er im Laub mis­chte sich mit dem Murgeln des Bach­es, der unweit zwis­chen den Felsen dahin­floß. Auf der Hälfte des Weges über­querten wir eine Stelle, wo ein Rinnsal durch eine Quelle im oberen Wald gespeist, je nach Jahreszeit quer zum Weg floß. Die Alten sagten, daß unter­halb dieser Stelle ein unterirdis­ch­er Strom sei und die Reit­er hät­ten früher die unruhi­gen Tiere am Halfter führen müssen. Nun wurde es ganz plöt­zlich dunkel, denn das Mondlicht reichte nicht aus, um im Tan­nen­wald den Weg zu erhellen. Kaum ein Laut, nur das Schre­it­en auf dem fel­si­gen und belaubten Boden war zu hören. Dann plöt­zlich, noch weit weg in Rich­tung Hor­ing­hausen, ein sich wieder­holen­des quitschen. Es kam aber langsam näher und wir Kinder über­legten, wie wir uns ver­hal­ten soll­ten. Wir schlu­gen uns seitlich in die Büsche und waren mucksmäuschen­still. So sahen wir der Dinge, die da kamen ent­ge­gen. Mit dem Quitschen kam noch ein ander­er Ton
hinzu, denn jemand atmete schw­er. Dazu trat er sehr fest auf den Boden auf und man hörte dazu ein sich wieder­holen­des Klopfen. Dann sahen wir einen Schat­ten, der sich an unserem Ver­steck vor­bei bewegte, und ganz undeut­lich kon­nte man eine Per­son erken­nen die humpelte und mit dem Stock den Weg abtas­tend davong­ing.

Der Groß­vater Wil­helm hat­te uns schon vor langer Zeit von diesem Mann, der ein Pfer­de­händler aus dem Rahmede­tal mit einem Gum­mibein war, erzählt. Wir Kinder hat­ten aber nicht damit gerech­net, daß wir ihm ein­mal per­sön­lich begeg­nen wür­den.

Mit klopfen­d­em Herzen gin­gen wir nun ganz schnell nach Hause und erzählten unseren Eltern und später auch den Großel­tern von unserem unheim­lichen Erleb­nis auf dem Heimweg.

Im Siepen

Die Luft ste­ht still,
von der Som­mer­würze Duft
ermü­dend hält’s mich hin
ganz weit weg der Tiere Ruf.

Junge Hip­pen im Siepen wei­den
all die Gedanken sind schw­er.
Wie ein Kla­gen, wie Kinder weinen
wohl dürstet’s alle sehr

Augen­blicke, ob die Zeit nicht geht
keine Eile, nichts was wichtig ist.
Hier ruh ich und ver­ste­he,
wenn zu mir die Heimat spricht.

Heuschreck­en stören die Stille
laut­los gaukelt ein Schmetter­ling
und im Hauch der leicht­en Winde
ein klein­er Vogel singt.

Wenn bald in der Abend Küh­le
der Bäume Schat­ten länger wird,
zum Heimweg ruft’s, der Glock­en Grüße
klingt’s wohl dem Wan­der­er hier.

Im Osten dämmert’s schon,
der Füße Schwere geht vor­bei.
Die Wolken­farbe leuchtet rot,
wohlan, der Weg ist weit!

Der elter­liche Garten im Sauer­land

Die schön­sten Erin­nerun­gen mein­er Kind­heit sind mit dem Hausarten eng ver­bun­den. Uns Kindern war die Beobach­tung des Gartens anvertraut.Wir mußten die gefräßige Vogel­welt soweit es ging fern­hal­ten und durften den Eltern beim Jäten des Unkrauts helfen.

Wir erfreuten uns an der Blu­men­pracht und an den Frücht­en, die ein Garten im Laufe des Jahres her­vor­brin­gen kann. Dieser Bauern­garten, den der Vater nach 1945 neu angelegt hat, lag in einem teil­weise bewalde­ten Tal, durch den ein klein­er Bach floß. Dieser Bach wurde dann so umgestal­tet, daß er mehrere kleine Teiche bildete. Die Bach­forellen und andere Wassertiere, welche let­z­tendlich darin lebten, hat er mit uns Kindern aus benach­barten Wasser­läufen gefan­gen. Die heimis­che Botanik wurde so weit wie möglich einge­hal­ten und mit dem umliegen­den Wald in Ein­klang gebracht. Es dauerte gar nicht lange bis die Tier­welt sich auf diese idyl­lis­che Land­schaft eingestellt hat­te und wir zu allen Tages- und Nachtzeit­en die Natur beobacht­en kon­nten. In so einem Garten war ein lebendi­ges Stück Mit­te­lal­ter erhal­ten, so daß ihm die Aufmerk­samkeit viel­er Heimat­fre­unde zuteil wurde.

Der Garten­bau wurde durch die Klöster im 8. Jahrhun­dert einge­führt, indem Mönche südliche Kul­turpflanzen zu uns bracht­en. Diese Gärten hat­te Karl der Große vor Augen, als er in seinem “Capit­u­lare de vil­lis” anord­nete, daß neben bes­timmten Blu­men wie Rosen und Lilien, eine beträchtliche Anzahl auch nutzbar­er Pflanzen anzubauen sei. Im all­ge­meinen gilt für das Sauer­land wie auch das übrige West­falen, was der Dichter von Dreizehn­lin­den über Cor­vey sagt: “Kräftig sproß im jun­gen Garten Akelei und Ro’s und Quen­del, sowie Blasse, Sal­bei, Dill und Eppich, Eber­raute und Laven­del.”

Aus den Tal­frieden der Klöster stieg der Garten zur Rit­ter­burg hinan, wo zwis­chen Felsen und Gemäuer sich immer noch ein Plätzchen für den Würz­garten fand. Gegen Ende des Mit­te­lal­ters kamen neue Blu­men hinzu. Das Schneeglöckchen aus der Sumpfwiese, das Maiglöckchen aus dem Buchen­wald; aus der Türkei kamen Feuerlilie, Flieder, Nelke, Gol­dregen, Narzisse, Tulpe, Stock­rose und Gold­lack. Aus Mexiko die Son­nen­blume und Dahlie und aus den Kap­lan­den Geranie und Kar­di­nals­blume. Aus Ostin­di­en kam der Jas­min. So tru­gen im Laufe der Zeit alle Him­melsstriche dazu bei, die Pracht des deutschen Gartens erste­hen zu lassen.

Aus den Gärten der Rit­ter und Mönche siedel­ten dann die Blu­men und Nutzpflanzen hinüber in die stillen Bauerngärten, wo sie teil­weise noch heute zu find­en sind.

Zahlre­iche Urkun­den geben davon Zeug­nis, daß im Sauer­land schon seit vie­len Jahrhun­derten Garten­bau betrieben wurde. So wird z.B. in ein­er Urkunde im Jahre 1367 erwäh­nt, daß Florin Ple­banus de Dorslon Einen Hopfen­garten bei Mars­berg für ein Dar­lehn zuge­sprochen bekam (Seib.UB II,787). Dann belehnt der Prob­st von Mars­berg im Jahre 1374 den Bürg­er Bertold Eck­en mit einem Garten außer­halb der Stadt­mauern. Im Jahre 1382 gibt der Prob­st und Lehn­sh­err Florin de Dorslon zu Mars­berg einem gewis­sen Kon­rad seinen Hof zu Wigerd­ing­hausen zum Lehn und zugle­ich damit drei Mor­gen Ack­er­land auf den Steinen (J.W. Fis­ch­er und E. W. Dörscheln in Spuren, Bd.2,H.2 u.5)

Auf Gar­tendieb­stahl ruht­en in der dama­li­gen Zeit schwere Strafen. Z.B. erhält die Stadt Hamm im Jahre 1363 vom Grafen Engel­bert die Erlaub­nis, solchen Dieben ein Ohr abzuschnei­den.

In einem richti­gen Garten dür­fen auch Obst­bäume nicht fehlen. Die Mönche (vere­del­ten) pflanzten milde Süd­lan­dreifer auf des Nor­dens harte Stämme. In dem ältesten Güter­verze­ich­nis des im Jahre 837 gegrün­de­ten Klosters Böd­deken wird eine Hufe unter dem Namen “Appel­bomshove” erwäh­nt.

Wenn der gepflegte Haus­garten eine Welt des Gartenglücks und der Garten­freude darstellt, so ist der Sinn und Zweck erfüllt, welch­es von ein­er Gen­er­a­tion zur anderen weit­ergegeben wer­den sollte.

In Memo­ri­am

In meine Heimat kam ich wieder
die alte Heimat war es noch,
auch Luft und bekan­nte Lieder,
zu wenig nach den Jahren doch.

Am Wal­drand sprang wie son­st ein Reh,
ich seh den Bach in seinem alten Lauf;
und wenn ich durch die Ortschaft geh,
seh ich fremde Men­schen auch.

Wo sind sie alle geblieben,
sie gin­gen in ihrer Zeit dahin
auf manchem Gotte­sack­er liegen,
die let­zten die ich hier nicht find.

Aus der Ferne hör ich Glock­en­leuten,
ich halte ein auf meinem Weg
ich werde schreiben auch von heute
der Men­schen, die da haben gelebt.

Mir war als rief es aus den Bergen,
wir leben in der Geschichte weit­er
kannst so vieles bericht­en über der­er,
mit ihren Spuren aus alten Zeit­en.

Die Magd und die Maus

Eigentlich war die Magd ganz in Ord­nung, nur wenn es darum ging, dass wir sie bei der Arbeit störten, kon­nte sie uns nicht um die Beine haben und dann war sie unausstehlich. Waren der Bauer und die Bäuerin mit dem Knecht auf dem Felde und sie mußte Essen kochen, gab es schon mal etwas zum Naschen. Oder wir durften auf dem Heubo­den ver­steck­en spie­len. Dort fan­den sich auch einige Mause­fall­en, weil in ein­er Kam­mer das Korn lagerte. Wir wußten, dass sie eine panis­che Angst vor diesen Tierchen hat­te, weil sie nachts in ihrer Schlafkam­mer das Getrap­pel der Mäuse unter den Die­len und hin­ter den Wän­den hörte. Auch hat­ten die Katzen schon mal eine Maus gefan­gen und sie halbtot angeschleppt, um sie dann, nach­dem sie noch einige Zeit damit gespielt hat­ten, endlich aufzufressen.

Das wars, eine lebendi­ge Maus musste her, aber guter Rat war teuer. Wie der Zufall es will, hörten wir wie der Knecht dem Bauern erzählte, dass in einem Behäl­ter, wo er son­st das Fut­ter für die Tauben auf­be­wahrte, eine neugierige Maus hineinge­fall­en sei und auch noch darin liege.

Ob die noch lebte? Wir mußten das wis­sen und als der Knecht wieder aufs Feld gegan­gen war, sahen wir nach. Ein Glück, sie lebte und war nur etwas schwach von den ewigen Ver­suchen her­aus zu kom­men. Ein alter Leder­hand­schuh, den der Knecht da liegen hat­te, ange­zo­gen, die Maus schnell gepackt und in eine Zigar­renkiste getan. Dann aber schnell weg und die Kiste mit der Maus erst mal ver­steckt, denn wir mußten warten bis die Magd, die im Stall zu tun hat­te, in die Küche zurück­kam. Am Spät­nach­mit­tag kam sie endlich, um bald mit den Abend­brotvor­bere­itun­gen anz­u­fan­gen.

Noch war der Bauer weg, aber er kon­nte jeden Augen­blick zurück sein, weil er auch noch im Haus etwas zu arbeit­en hat­te.

Wir schlichen uns ganz leise zum Flur und da die Küchen­tür angelehnt war stell­ten wir die Zigar­renkiste auf den Boden, den Deck­el auf und schwubs war die Maus her­aus und in die Küche ver­schwun­den. Ganz leise die Tür zu gemacht und gelauscht. Dann ganz plöt­zlich ein Gekreis­che und Schrei­hen: “Hil­fe, eine Maus!”

In dem Moment kamen der Bauer mit der Bäuerin zurück und sie hörten das Geschrei und eil­ten das Schlimm­ste ahnend in die Küche. Da stand die Magd auf dem Küchen­tisch und traute sich nicht herunter. Der Knecht wurde gerufen, um das Tier einz­u­fan­gen, was nach eini­gen Ver­suchen gelang. So hat­te der Knecht die Maus zum zweit­en Mal gefan­gen, die Magd hat­ten wir geärg­ert und alle haben noch lange über diesen Sch­aber­nack gelacht.

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